„Wollen Sie die alle retten? Das schaffen Sie nie!“, ruft ein flott an mir vorbei rennender Sportler, als ich mich früh im Weinberg nach dem dritten Regenwurm bücke und ihn vom Beton der Straße zu einer begrünten Weinzeile trage.
Nachdem der Regen aufgehört hat, sind dutzende Regenwürmer auf dem undurchlässigen Boden unterwegs; einige sind bereits liegengeblieben, am Ende ihrer Kraft. Sie werden dort sterben und bestenfalls noch den Krähen als proteinreiche Nahrung dienen.
Nein, alle kann ich nicht retten. Aber eben doch ein paar – jedes Mal, wenn ich welche sehe.
Natürlich wünschte ich mir die Zeit und Geduld, wirklich alle Würmer auf sicheren Grund zu bringen. Immer bleibt mir das Gefühl, mich nicht oft genug gebückt zu haben.
Aber ich lebe wie wir alle in einer Wirklichkeit, wo ich mich nicht nur um Regenwürmer kümmern kann, sondern meine Existenz sichern, die mir Anvertrauten versorgen und vieles erledigen muss.
Niemand von uns kann allen helfen! Manchmal reicht die Kraft nicht einmal für die Menschen in der nächsten Umgebung, die gerade Hilfe benötigen. Oft ist es da sogar besonders schwierig, weil man sich so nah ist, dass man zum Leid des Gegenüber gar nicht genug Abstand halten kann, um sinnvoll zu unterstützen (dafür gibt’s dann Freund*innen oder auch Profis für Seelsorge, Therapie und/oder spirituelle Begleitung).
Oft fällt es schwer, diese Grenzen der eigenen Unterstützungskraft anzuerkennen. Oder mit der Befürchtung zu leben, dass die eigenen Bemühungen für die anderen nicht ausreichend sind.
An anderen Tagen ist es vielleicht sogar lästig, überhaupt zu helfen, weil die eigenen Gedanken bereits ganz woanders sind und man möglichst schnell den eigenen Belangen nachgehen möchte.
Wenn mir das eine oder andere passiert, erinnere ich mich an die Regenwürmer. An diejenigen, die sich wieder in die Erde verkriechen konnten und nicht auf dem harten Beton verenden mussten. Ja, ich kann auch diesmal nur ein paar von ihnen vor diesem Schicksal bewahren. Aber besser wenige als gar keine!
